Organisation

Dance with the Desert | Kooperationsprojekt im Rahmen von 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland | UE Berlin – Prof. Katharina Mayer und Studierende | HSD Düsseldorf – Prof. Anja Vormann und Studierende | Bezalel Academy of Arts and Design Jerusalem – Hadas Satt und Studierende | onomato künstlerverein Düsseldorf

Im Rahmen des Festjahres 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland wurde über den gleichnamigen Verein in Verbindung mit dem onomato künstlerverein Düsseldorf, das Projekt „Dance with the Desert“ zur Förderung beim Bundesministerium des Inneren und für Heimat und der Staatskanzlei NRW eingereicht und bewilligt. Hinter Dance with the Desert, steht ein kooperatives Reseach Projekt dreier Hochschulen. Beteiligt waren die University of Applied Sciences Europe Berlin mit Prof. Katharina Mayer als Initiatorin des Projekts, die University of Applied Sciences Düsseldorf mit Prof. Anja Vormann und die BezalelUniversity of Art & Design Jerusalem mit der Dozentin Hadas Satt.

Ästhetische Arbeit ist immer auch die Suche nach neuen Formen des Ausdrucks und der Deutung. Über das Experimentieren mit Sprache, Bild und Körper produzieren Kunst und Designstudierende Unschärfen, die uns Leerstellen anzeigen, an denen Deutung und Bedeutung noch offen sind. Künstlerisch forschende Arbeit produziert mehr Fragen als Antworten, knüpft neue Verbindungen und erprobt alternative Wahrnehmung und Modellbildung von Welt. Sie setzt dem „entweder oder“ etwas hinzu und wirkt damit den polarisierenden Weltbildern entgegen. 

Relevant ist diese Arbeit, da Studierende der Kunst, der Gestaltung, des Films und der Werbung zukünftige Medienproduzent*innen und damit Multiplikator*innen der Meinungsbildung sind. Sie besitzen das Wissen, wie sich Realität konstituiert, wie rhetorisch beeinflusst wird und in welchem Kontext eine Botschaft die größte Wirkung erzielt, wie sich diese vernetzen und verbreiten lässt.

Individuelle Zugänge (Phase 1)

Das Projekt begann im Sommersemester 2021 über ein online Seminar. Aus den Departments Video und Fotografie der drei Hochschulen wurden individuelle Arbeiten zum Thema„jüdisches Leben in Deutschland und in Israel“ entwickelt und im Seminar gemeinsam diskutiert. Der Zugang konnte frei gewählt werden, sowohl inhaltlich, als auch medial. Anknüpfungspunkt war der jeweilige persönliche Alltag und Kontext. Im Chat oszilliertenfragmentarische Diskurse über Leben, Freunde, Musik, Studium, Foto- und Videografische Position, Subkulturen, Digitalisierung, Politik, Jobs, …, Konflikthemen wurden dabei nicht ausgeklammert.

Das kooperative Projekt „Fields of Dialogues“ bildete beispielsweise ein Experiment zur interkulturellen Kommunikation, die Arbeit „Überwindung exklusiver Narrative“ inszenierte einen wechselseitigen Rollentausch zwischen israelischen und palistinänsischen jungen Frauen. In „Empty Slogans“ wurden hebräische Protestschilder über Beamer in deutsche Städte projizierte. Viele Studierende näherten sich dem Thema über Interviews, dies beispielsweise mit israelischen Kriegsdienstverweiger*innen, den eigenen geflüchteten jüdischen Großeltern oder israelischen Skater*innen. Es entstanden Porträts der jüdischen Musik- und DJ-, sowie der queeren Szene Berlins. In weiteren Arbeiten wurden Fragen zu der eigenen Identität und zu dem was gesucht wird, gestellt.

Experimentiert wurde mit Vermessungssystemen des Körpers, die den Nazis abgeschaut, Anwendung auf heutige Körperbilder fanden. Ebenso sind virtuelle Formate wie VR Rekonstruktionen zerstörter Synagogen oder die Gründung eines queeren jüdischen Kinos, Ergebnisse dieser ersten Projektphase. 

Gesprächskulturen (Phase 2)

Ende des Sommersemesters fand das erste Zusammentreffen der beiden deutschen Hochschulen in Berlin statt. Anlass war ein 10 tägiges Interviewprojekt des Ü-Wagen Teams Paradise–Park–, das mit Unterstützung des jüdischen Museums Berlin auf dessen Vorplatz durchgeführt wurde. Hier sollte über ein spezifisches Gesprächsformat zum gegenwärtigen jüdischen Leben in Deutschland geforscht, aufgenommen und archiviert werden.

Unsere Methode bestand aus der systematischen Dekonstruktion des Formates „Interview“, das schon im ersten Schritt „Gespräch“ genannt wurde. Zielgruppen wurden nicht definiert und die Gesprächspaare kamen zufällig zusammen. Es gab keine Leitfragen, – nicht einmal Fragen. Ein dreisprachiges Begriffsset (deutsch/englisch/hebräisch) war Interaktionselement, von dem ausgehend, Fragen und Erzählungen entfaltet werden konnten. Die Dynamik, wer fragt wen, wie werden die Karten ins Spiel gebracht – gezogen, gemeinsam ausgesucht, nacheinander abgearbeitet … war dem Zusammenspiel des jeweiligen Gesprächspaaresgeschuldet. Es gab nur eine Regel, es trifft immer eine jüdische Person mit einer nicht jüdischen Person zusammen.

Journalistische oder wissenschaftliche Formate sind diszipliniert, dies in Form, Durchführung und der Eingrenzung des Themas. Eine Dekonstruktion solcher Formate bringt Freiheit, Zufall, Improvisation und Verschiedenheit ins Spiel. Zugleich wird die statistische Erfassbarkeit und Beweislogik unterwandert, mit der sonst allzu schnell in Medien Wahrheit konfiguriert wird.

Obwohl diese Methode programmatisch Diversität produziert, erzeugt sie doch auchSichtbarkeit. Betrachten man die Begriffskarten als Akteure, so zeigen sie uns an, welche Begriffe/Diskurse relevanter, krisenanfälliger, versöhnlicher, … scheinen. Um die Begriffe herum verdichten sich zahlreiche unterschiedlich entwickelte sprachliche Zugänge, dies als Unschärfe und Auflösungsversuch von Stereotypen.

Entstanden sind 25 Videogespräche, die ein differenziertes Bild jüdischen Lebens in Deutschland zeigen, die als Wanderarchiv, für Ausstellungen, Diskussion oder zur weiteren Recherche.

Begleitprogramm bildete eine Ausstellung in der feldfünf Galerie Berlin, in der „Work in Progress“ Projekte der Studierenden gezeigt wurden. Hier fanden auch Liveschaltungen mit den israelischen Studierenden, sowie ein jüdisches Kinoprogramm mit der Filmemacherin Esther Zimmering und eine Lesung mit Toma Gardi statt. Parallel dazu wurden Foto-, Film-,und Installationsarbeiten im UE Pavillon ausgestellt.

Gestaltungsräume (Phase 3)

Schon in Berlin erschien es allen Beteiligten merkwürdig, dass sich Düsseldorfer und Berliner Studierende im realen Raum austauschen konnten, die Kommunikation mit den israelischen Studierenden dagegen nur digital geführt wurde. Mit viel Energie auf deutsch/israelischer Seite und einer weiteren großzügigen Förderung der Staatskanzlei NRW ließ sich Anfang des WS 21 ein Zusammentreffen mit den israelischen Studierenden und ihrer Dozentin HasdasSatt in Düsseldorf realisieren. 

Im Onomato Künstlerverein kamen zum ersten Mal alle Studierenden zusammen. Gestaltungsaufgabe war die Konzeption und Realisation einer gemeinsamen Ausstellung. Mit der Diskussion über die Auswahl von passenden Plätzen für die jeweiligen Arbeiten unter der Berücksichtigung einer gegenseitigen Bezugnahme der Positionen, kristallisierte sich aus einem wilden Feld ausgepackter Arbeiten eine Ausstellungskonzept heraus, das im gegenseitigen Verstehen und im Einverständnis aller Beteiligten entstand.

Dabei wurde offensichtlich, dass die Studierenden aus ihrer gemeinsamen Disziplin der Gestaltung heraus, einem Kosmos aus Material, Arbeitsweisen, Technik, Rahmenbedingungen, Referenzen und Vorbildern der künstlerischen Arbeit, ein Repertoire und eine Breite an Diskursen entwickeln konnten, die eine ähnliche Nähe erzeugte, wie das gemeinsame Essen oder Feiern.

Israelreise (Phase 4)

Im November kam es zum Gegenbesuch der UE Berlin und der HSD in Israel. ShirZilberstein, israelische Studentin der UE war dabei Knotenpunkt aller organisatorischen und auch inhaltlichen Verhandlungen um das Programm der Exkursion. Sie suchte besondere Orteaus und ermöglichte dabei Erlebnisse, die für alle Studierende gleichermaßen wertvoll waren–beispielsweise die gemeinsame Wanderung durch den Ramon Krater der Negev Wüste oder den mehrtägigen Aufenthalt im Kibbuz Mashabi Sade. Die über ein Jahr hinweg gewachsene Kommunikation der Studierenden führte zu der gegenseitigen Unterstützung in Projekten wie „Alma und Lior“ von Amira oder zu gemeinschaftlichen Arbeiten wie „Gender Video Talks“ von Netta, May, Laura und Janna. Im Kibbuz Mashabi Sade eröffnete Lea ein Tatoo Studiound in der Negev Wüste wurde „Dance with the Desert“ plötzlich real. Fotografiert und gefilmt wurde alles und überall, das Kochen wurde zum Projekt, das Hostal zum Konzertraum. Trotz der vielen entspannten Erlebnisse wurde man immer wieder plötzlich von Erlebnissen überrollt, wie beispielsweise über den Besuch des unglaublich eindrücklichen Holocaust Museums Yad Vashem in Jerusalem, das mich in jeglicher Rolle – als Deutsche, als Frau, als Filmerin berührt hat, wie keine andere vorherige Auseinandersetzung mit dem Thema.

Kooperationen (Phase x)

Das Projekt „Dance withe the Desert“ hat für Hochschulverhältnisse eine lange Zeit gemeinsamen Arbeitens bedeutet. Es waren Studierende aller Semester beteiligt. Einige haben mittlerweile ihren Abschluss gemacht, andere vertiefen ihre Erfahrungen über einen Austausch, Bahaa wird ein Auslandsemester an der HSD verbringen und Lilli eins in der Bezalel Universität. Die UE Berlin hat ein neues Kooperationsabkommen mit der BezalelUniversität abgeschlossen, die HSD ein Erasmus+ Programm mit der Bezalel Universität beantragt. Im Juni 2022 wird ein Symposium an der UE Berlin stattfinden, zu dem die Arbeiten der Studierenden und die Gespräche des Ü-Wagens gezeigt werden. Hadas Satt wird einen Workshop für die Studierenden geben und das Archiv der Gespräche soll auf Reisen gehen, im besten Fall geht es immer weiter.

Studierende
Bahaa Abu Hussein
Michal Arnheim
Pauline Bewig
Ian Kiplimo Busienei
May Chen
Alma Ben David
Netta Gaash
Luka Godec
Laura Maria Görner
Lior Harel
Amira Hartmann
Ari Hillel
Marcel Mücke
Fabio de Saldanha
Henrik Stuch
Lea Weigert
Lilian Wunschik
Lior Yeger
Nelli Scheiermann
Shir Zilberstein

Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen
Patrick Kruse
Janna Lichter
Laura Oldörp

Verantwortliche
Prof. Katharina Mayer
Hadas Satt
Prof. Anja Vormann

Weitere Beteiligte
Prof. David Adika
Dr. Nikolaj Beier
Dr. Regina Plaßwilm
Rotem Ruff